Neue Lebensqualität durch Ortsentwicklung: Erfahrungen aus Freyung / Integrierte Orts- und Sozialraumentwicklung: Studierende der Hochschule Koblenz informieren sich
Wie kann im Zusammenspiel von verschiedenen Bausteinen der Ortsentwicklung neue Lebensqualität in ländlichen Räumen geschaffen werden? Diese Frage führte Studierende des interdisziplinären Masterstudiengang "Integrierte Orts- und Sozialraumentwicklung" der Hochschule Koblenz im Rahmen einer fünftägigen Exkursion auch nach Freyung.
15 Studierende reisten mit dem Leiter des Studienganges Prof. Peter Thomé und den wissenschaftlich Mitarbeitenden des Lehrstuhls Julia Trapp und Christoph Zepp in die Kreisstadt am Tor zum Bayerischen Wald und informierten sich, welche Wege die Stadt eingeschlagen hat und weiterverfolgt, um ein attraktives, belebtes Innenstadtleben zu fördern.
„Integrierte Orts- und Sozialraumentwicklung“ ist ein interdisziplinärer Masterstudiengang, der aus dem Zusammenspiel der Fachrichtungen Architektur, Bauingenieurwesen und Sozialer Arbeit an der Hochschule Koblenz entstanden ist. Der Masterstudiengang beschäftigt sich interdisziplinär mit den Auswirkungen des gesellschaftlichen und demographischen Wandels auf lokaler und regionaler Ebene. Dazu werden Methoden der Problemidentifikation aus mehreren Disziplinen miteinander verknüpft, um ortsstrukturelle und sozialräumliche Prozesse in ländlichen Räumen analysieren, bewerten, gestalten und steuern zu können. Alle zwei Jahre machen sich die Studierenden auf den Weg, um Praxisbeispiele aus der Stadtentwicklung kennen zu lernen.
Eine Kommune kann Impulse geben, Weichen stellen, Vernetzungen vorantreiben, vor allem aber mit einer Vision Menschen begeistern, damit sie selbst aktiv werden, um ihre Heimatstadt lebenswert zu gestalten und weiter zu entwickeln, erläuterte Bürgermeister Dr. Olaf Heinrich beim Besuch der Studierendengruppe. Freyung verfolgt schon seit Jahren bei der Stadtentwicklung einen konsequenten Weg und nutzt alle baurechtlichen Gestaltungsmöglichkeiten mit dem Ziel: das Zentrum stärken, weiterentwickeln, Chancen erkennen, wahrnehmen und umsetzen - und dabei die Menschen mitnehmen und einbinden. Dazu zählt auch, sich als Kommune Schlüsselgrundstücke zu sichern und Fördermittel zu nutzen. „Stadtentwicklung ist immer auch Bodenpolitik“, so Heinrich. „Da einer Kommune aber nur begrenzte finanzielle Mittel zur Verfügung stehen, ist es wichtig Menschen zu gewinnen, die selber in der Stadt investieren.“
Vor knapp 20 Jahren gab es im Freyunger Stadtkern rund 40 % Leerstand. Es war spürbar, dass die Stadt zunehmend an Attraktivität verlor, blickte Heinrich in die Vergangenheit. 2008 startete mit einem neu gewählten Stadtrat ein Prozess, um Grundlagen für eine Stadtentwicklung festzulegen und sich bei Entscheidung zu fragen: Welche Auswirkungen hat das für die Stadt? Lebensqualität drückt sich auch durch Nähe aus: innerstädtische Bauprojekte mit barrierefreien Wohnungen, Nahversorgung, Ärzte, aber auch Kino, Gastronomie – und alles in fußläufiger Entfernung. Wichtig ist im Stadtzentrum für Frequenz zu sorgen und auch Autoverkehr zuzulassen und nicht an einem Zentrum vorbeizuführen. Dies wurde in einem Ratsbegehren zur Abstimmung gestellt, berichtete der Bürgermeister von den Überlegungen und Handlungsstrategien der Stadt. Der Stadtrat hat auch entschiedenen, keine weiteren Baugebiete im Außenbereich zu erschließen, sondern auf Nachverdichtung und Sanierung zu setzen. Um erhaltenswerte leerstehende Gebäude zu revitalisieren, bezuschusst die Stadt Investitionen zur Erhaltung und Nutzung vorhandener Bausubstanz mit 50 € pro Quadratmeter Geschossfläche - gedeckelt auf 10.000 € je Anwesen – unter der Voraussetzung, dass das Gebäude mindestens 40 Jahre alt ist und seit einem halben Jahr unbewohnt ist.
Lokale Eigentümer oder lokale Immobilienakteure unterstützen heute die Stadtentwicklung auch aus ideellen Gründen. Das hat Zeit und erste Erfolge gebraucht. Es braucht dazu auch konkrete Ansprache potenzieller Investoren - vielfach unmittelbar durch den Bürgermeister oder die Stadträte. Eine kooperative Zusammenarbeit und vernetztes Denken von privater und öffentlicher Hand ebenen viele Wege, berichtete Bürgermeister Heinrich aus seiner 16-jährigen Erfahrung in der Kommunalpolitik. Bindung an eine Stadt entsteht auch durch Teilhabe. Freyung macht gute Erfahrungen mit Genossenschaften. Zum Erhalt der Brauerei Lang und zum Bau einer Saunalandschaft wurden Genossenschaften gegründet. In Freyung beschränkt sich das bürgerliche Engagement nicht allein auf private Investitionen im baulichen Bereich. Gerade auch im kulturellen Bereich gibt es viele ehrenamtliche Aktivitäten, die das Leben in der Stadt bereichern.
Als aktuelle Projekte der Stadtentwicklung stellte Bürgermeister Heinrich das denkmalgeschützte Pröbstlhaus und den Passauer Hof vor. Im Pröbstlhaus findet 2026 die Bayerische Landesausstellung zum Thema Musik statt. Im Anschluss wird das Gebäude als Science Center genutzt, architektonisch verbunden mit dem Stadtplatzcenter. Im Passauer Hof, einem ehemaligen Gasthaus mit historischem Gewölbe, ist eine Genussakademie in Planung, die von einer Genossenschaft getragen und entwickelt werden soll. Als wichtigen Meilenstein der Belebung der Innenstadt bezeichnete der Bürgermeister auch den Bau der Bayerischen Volksmusikakademie – nicht auf der grünen Wiese, sondern im historischem Langstadl mitten in der Stadt.
Von der architektonischen Qualität und dem Konzept des Volksmusikakademie konnten sich die Studierenden im Rahmen ihrer Exkursionsfahrt bei einer Führung ein eigenes Bild machen. Freyung wurde bisher immer bei den Exkursionen angesteuert und stand bereits zum dritten Mal auf der Reiseroute der Hochschule Koblenz. „Da sich vieles so dynamisch entwickelt, ist es auch für uns Lehrende immer wieder aufs Neue spannend! Für die Studierenden sowieso“, erklärt Julia Trapp, die Organisatorin der Exkursion.
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Über die Stadtentwicklung in Freyung informierten sich Studierende interdisziplinären Masterstudiengang "Integrierte Orts- und Sozialraumentwicklung" der Hochschule Koblenz bei Bürgermeister Dr. Olaf Heinrich (2. von rechts).