Ausgangssituation: In den vergangenen Jahrzehnten wurde im gesamten Bayerischen Wald bei der Siedlungsentwicklung auf Wachstum gesetzt. Die kontinuierliche Ausweisung neuer Baugebiete führte zu einer Vergrößerung der Siedlungsfläche, zu einer abnehmenden Bebauungsdichte und, wie inzwischen sichtbar wird, zunehmend zur Gefahr der Verödung von Ortskernen, Zersiedelung sowie Landschafts- und Flächenverbrauch. Selten wurde bei der Ausweisung neuer Baugebiete über die wirtschaftlichen Konsequenzen dieser Entscheidung nachgedacht. So wird jedes, auch ein innerstädtisches Baugebiet, zur erheblichen Belastung des kommunalen Haushaltes und so mittelbar tendenziell steigenden Wasser- und Kanalgebühren führen. Grund dafür ist die Tatsache, dass zwar über den Erschließungsbeitrag 90 % der Kos-ten für den Bau der Straße auf den Bauwerber umgelegt werden (siehe aktuelles Beispiel in Spelten-bach), gleichzeitig aber für den Wasser- und Kanalanschluss, unabhängig vom tatsächlichen Aufwand, nur die Anschlussbeiträge fällig werden. Die Folge ist, dass erhebliche Summen, die für die Verlegung von Kanal- und Wasserleitungen ausgegeben werden, nicht vom Bauwerber selber entrichtet werden. Diese Kosten fließen stattdessen in die Globalkalkulation der Wasser- und Kanalgebühren ein, erhöhen die Abschreibungen und damit mittelbar die Gebühren. Nicht zu vernachlässigen ist auch die Notwendigkeit, die Leitungen nach einigen Jahrzehnten zu sanieren, was dann erneut durch die Gemeinschaft der Gebührenzahler finanziert werden muss. Eine Stagnation der Bevölkerung sowie eine kontinuierliche Alterung derselben, ist im gesamten Bayerischen Wald festzustellen und bestimmt als „demographischer Wandel“ die Schlagzeilen. Zwar hat die Stadt Freyung in den letzten Jahren über 300 zusätzliche Einwohner gewonnen, es ist jedoch trotzdem davon auszugehen, dass dieses Wachstum nicht von Dauer sein wird. Während die „Statistik Kommunal“ des Bayerischen Landesamtes für Statistik im Jahre 2008 noch binnen der nächsten 20 Jahre einen Bevölkerungsrückgang von über 14 % für die Kreisstadt vorhersagte, hat sich die Prognose seither dramatisch verbessert. Inzwischen wird nur noch von einem Rückgang von ca. 1 % ausgegangen. Daraus ist jedoch trotzdem unverändert abzuleiten: Grenzenloses Wachstum und damit ein dauerhafter Mehrbedarf an Wohnflächen ist nicht zu erwarten. Hier sei noch darauf hingewiesen, dass die Wohnfläche pro Kopf zwar bundesweit jedes Jahr ansteigt, dies jedoch nur geringe Auswirkungen auf die notwendige Bautätigkeit in einer Kommune mit 7.300 Einwohnern hat. Bereits in der Vergangenheit hat die Freyunger Stadtverwaltung wiederholt zusammengetragen, wo Baulücken bestehen, bebaubare Grundstücke vorhanden sind und wo beispielsweise auch durch den Umbau von Hofstellen oder die Teilung von überdimensionierten Grundstücken zusätzliche Bauoptionen bestehen. Zusätzlich muss selbstverständlich analysiert werden, wo Wohngebäude ein Leerstandsrisiko haben, z. B. weil dort nur noch eine Person wohnt, die bereits ein hohes Lebensalter hat und bis dato keine Nachfolgenutzung gesichert ist. Konsequenz der Status-Quo-Analyse: Angesicht einer zumindest nicht mehr stark und kontinuierlich ansteigenden Bevölkerungszahl, vor dem Hintergrund der erheblichen Infrastrukturkosten bei der Neuausweisung auch kleiner Wohnbaugebiete und der Tatsache, dass auf Grund der demographischen Veränderung in den nächsten Jahren und Jahrzehnten zahlreiche Gebäude Gefahr laufen, aus der Nutzung zu fallen und hier Neueigentümer und Nachnutzer gesucht werden müssen, erscheint den Unterzeichnern folgende Vorgehensweise notwendig und konsequent: 1. Kartierung aller Baupotentiale im gesamten Stadtgebiet, d. h. nicht nur der leer stehenden Wohngebäude und Hofstellen sowie Gewerbebrachen, sondern auch der Wohngebäude mit Leerstandsrisiko, der Hofstellen ohne Hofnachfolger und der geringfügig bebauten Grundstücke sowie der klassischen Baulücken, um diese Datenbasis baldmöglichst und übersichtlich ins Internet zu stellen und der Öffentlichkeit zugänglich zu machen (soweit dies datenschutz-rechtlich zulässig ist). 2. Grundsatzentscheidung im Stadtrat, dass die Stadt Freyung alle Kraft darauf verwenden wird, bestehende Bausubstanz zu erhalten und auch eine zukünftige Nutzung zu initiieren bzw. zu fördern. 3. Grundsatzentscheidung im Stadtrat, dass bei unveränderten Rahmenbedingungen keine neuen Baugebiete mehr in Freyung geplant werden, sondern dass Nachverdichtung und In-nenentwicklung die zentralen Ziele sind und bleiben. 4. Diskussion und Entscheidung im Stadtrat über ein kommunales Förderprogramm, welches insbesondere junge Familien beim Erwerb, der Sanierung und der Nachnutzung bestehender Bausubstanz unterstützt.
Während es in den vergangenen Jahrzehnten im Landkreis und weit darüber hinaus üblich war, bei Neubaugebieten Familien durch einen Abschlag beim Grundstückskaufpreis finanziell zu unterstützen (siehe Baugebiet Kreuzberg-Anger), sollte nun ein Förderprogramm aufgelegt werden, mit dem durch kommunale Mittel der Erhalt und die Sanierung bestehender Bausubstanz gefördert wird. Ein exzellentes Beispiel hierfür ist die sogenannte „Hofheimer-Allianz“ in Unterfranken, bei der sich sechs Gemeinden zusammengeschlossen haben und seit vielen Jahren kontinuierlich daran arbeiten, die Ortskerne zu stärken und Bewohner und insbesondere Familien davon zu überzeugen, in bestehende Immobilien zu investieren und in diese einzuziehen. Dies ist in der Hofheimer-Allianz so erfolgreich, dass das Beispiel weit über Unterfranken hinaus für Diskussionen sorgt: Knapp 200 Immobilien konnten in den vergangenen Jahren mit neuem Leben gefüllt werden. Selbstverständlich wird es trotzdem weiterhin Immobilien geben, deren Sanierung weder wirtschaftlich sinnvoll, noch vermittelbar sein wird. Hier schlagen wir, ebenfalls nach dem Vorbild der Hofheimer-Allianz, vor, dass die Kommune im Einzelfall solche Gebäude erwirbt, abbricht und in der Folge als innerstädtische bzw. innerörtliche Baugrundstücke weiter veräußert. Auch dies führt zu einer gelunge-nen Innenverdichtung und zu einer Auslastung der bestehenden kommunalen Infrastruktur. 5. Um den nachvollziehbaren und berechtigten Wunsch von jungen Bauwerbern nach einem Wohnhausbau im eigenen Heimatdorf nachzukommen, sollte die Stadtverwaltung sich mit einem revolvierenden Grundstücksfond (zumindest z. T. förderfähig durch die Städtebauförderung) eigene Handlungsspielräume sichern. Es sei betont, dass es in den Dörfern im Stadtgebiet von Freyung mehrere bebaubare Grundstücke gibt, die sich jedoch zumeist in Privatbesitz befinden und über die nicht kurzfristig verfügt werden kann. Dies führt sehr häufig dazu, dass Dorfbewohner um Ortsabrundungssatzungen oder Ähnliches bitten, um neue, zusätzliche Baumöglichkeiten zu schaffen. Wenn es jedoch der Stadt gelingt, in jedem Ort zumindest vereinzelte Baulücken selber zu erwerben, kann dem berechtigten Wunsch nach Verbleib im eigenen Heimatort ohne Ausweisung neuer Baumöglichkeiten Rechnung getragen werden, indem die Stadt die im eigenen Portfolio befindlichen Baugrundstücke zum Erwerb und zur Bebauung anbietet. Dies fordert jedoch eine langfristige und strategische Planung sowie kontinuierliche Bemühungen, die Grundstücke auch tatsächlich für die Stadt zu bezahlbaren Preisen zu akquirieren. Uns ist selbstverständlich bewusst, dass der zukünftige Verzicht auf neue Wohnbaugebiete einem Paradigmenwechsel gleichkommt und öffentlich erklärt werden muss. Bürgermeister Wolfgang Borst, der Vorsitzende der Hofheimer-Allianz, hat dies bei der Bayerischen Bauamtsleitung im Kloster Irsee auf den Punkt gebracht: „Ich habe eineinhalb Jahre lang bei jeder sich bietenden Gelegenheit, sei es bei der Versammlung der Kaninchenzüchter oder bei der Jahreshauptversammlung des Sportvereins, immer wieder erklärt, dass unsere Orte nur lebendig bleiben können, wenn wir auf Innenverdichtung und die Revitalisierung alter Bausubstanz setzen. Irgendwann hat die Bevölkerung dies nicht nur akzeptiert, sondern auch für nachvollziehbar und den richtigen Weg befunden. Heute diskutiert in unserer gesamten Region so gut wie niemand mehr über die Ausweisung neuer Bauparzellen, nein wir haben vielmehr sogar 100 bebaubare Grundstücke aus den Bebauungsplänen gestrichen und dort das Baurecht wieder aufgehoben“, so Bürgermeister Borst (zitiert aus dem Gedächtnis). Für die ILE Wolfsteiner Waldheimat erscheint uns die Rücknahme von Baurecht nicht notwendig. Dies gilt insbesondere für die Stadt Freyung, unsere unmittelbare Zuständigkeit. In der Anlage dieses Diskussionspapiers befindet sich die Satzung für die Förderung der Revitalisie-rung von bestehender Bausubstanz, die in Hofheim seit Jahren besteht und sich großer Beliebtheit erfreut. Es sei ausdrücklich darauf verwiesen, dass es nicht nur um finanzielle Anreize, sondern auch um eine aktive, positive Bauberatung geht. Während die Kommunen die Förderungen, die an die Er-werber bezahlt werden, aus eigener Tasche bezahlen müssen, gibt es eine attraktive Förderung für die Bauberatung. Diese wird aktuell noch vom Amt für ländliche Entwicklung mit 100 % bezuschusst, ab Mitte des Jahres noch mit 75 %. Die Unterzeichner halten es für unverzichtbar, dass von fachlicher Seite Bauvorhaben eng begleitet und mögliche Potentiale der Bestandsimmobilie für den Interessenten verdeutlicht werden. Nur auf diesem Wege kann erreicht werden, dass sich Investoren nicht für ein auf den ersten Blick finanziell risikoärmeres Bauen eines Fertighauses, sondern für die Sanierung eines Bestandsgebäudes entscheiden. Wir sind uns sicher, dass die von uns vorgeschlagene Grundsatzentscheidung weitreichende Bedeutung für die Zukunft des Stadtkerns und unserer Dörfer in Freyung hat. Nur wenn es uns gelingt, die Ortskerne lebendig und attraktiv zu halten, werden die Dörfer auch zukünftig Wohnorte mit Anzie-hungskraft bleiben. Auch die wirtschaftliche Bedeutung einer lebendigen Nachbarschaft für die Grundstückseigentümer ist nicht zu unterschätzen: Wer kauft eine Immobilie in einem Straßenzug, bei dem bereits jedes zweite Haus leer steht? Insofern muss jeder Hauseigentümer ein vitales Interesse daran haben, dass seine Nachbarschaft aus bewohnten, sanierten Häusern besteht, um den Wert der eigenen Immobilie für die Zukunft zu erhalten. Ausdrücklich sei auch darauf hingewiesen, dass die vorgeschlagene Strategie nur dann funktionieren kann, wenn sich möglichst viele Nachbarkommunen demselben Ziel verpflichten. Dies ist in der Hofheimer-Allianz vorbildlich gelungen. Würden einzelne Nachbargemeinden, durch die Ausweisung günstigen Baulandes ohne Rücksicht auf die daraus entstehenden Konsequenzen versuchen, mögliche Bauwerber aus der Nachbargemeinde und den sich dieser Strategie anschließenden Kommunen abzuwerben, wäre dies nicht nur gefährlich für die Gesamtstrategie, sondern auch unkollegial. Vor diesem Hintergrund halten wir es für unverzichtbar, frühzeitig im Rahmen der ILE Wolfsteiner Wald-heimat das Thema zu diskutieren und gemeinsam mit den Nachbargemeinden einen Weg im Konsens zu finden, der eine Konkurrenzsituation um Neubauplätze gar nicht erst entstehen lässt